2009 “Betriebsratsverseucht”

Pressemitteilung der Jury: Wahl des 20. „Unworts des Jahres“

“Skandalöse Diffamierung der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen.

In der Sendung «Monitor» (ARD 14.5.2009) berichtete ein Mitarbeiter einer Baumarktkette, dass dieses Wort von Abteilungsleitern verwendet wird, wenn ein Mitarbeiter von einer Filiale mit Betriebsrat in eine Filiale ohne Betriebsrat wechseln will.

Dort könnte ihm vorgehalten werden, dass sein bisheriges Vertrauen in eine Arbeitnehmervertretung die Einstellung gefährde. Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen «stört» zwar viele Unternehmen, sie als «Seuche» zu bezeichnen, ist indes ein zumindest sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen.”


 

Stefan Daub, Betriebsratsverseucht

links: „Einmal BR, immer BR.“

rechts: „Gegen Korruption gibt es nur ein Mittel: Geld, viel Geld.“ Wolfgang Mocker, (*1954), deutscher Journalist und Autor

www.stefandaub.de


Jan Nouki Ehlers, Betriebsratsverseucht

links: „Pandemie 2010“

Bundesgesundheitsbehörde stuft Gewerkschaftspandemie zurück auf 0. Durch die länderübergreifende Koordination der Einsatzkräfte konnte eine rasche Mensch-zu-Mensch Ausbreitung durch den Virus flächendeckend unterbunden werden.

Nach § 20 IfSG, 6 des deutschen Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten wurden bei Menschen Zwangsimpfungen durchgeführt. Der letzte flüchtige kontaminierte Arbeitnehmer konnte erfolgreich in die Schutzquarantäne überführt werden.

rechts: „Was denn noch ??“

www.janehlers.net


Albrecht Haag, Betriebsratsverseucht

Betriebsräte sind auch nur Menschen
Ich stelle sogleich fest, dass ich nur wenige dokumentierte Fälle von Mißbrauch der Funktion als Betriebsrat finden konnte. Betriebsräte haben aber bisweilen auf Einladung oder auf Kosten des Arbeitgebers sich auf Reisen und andere Abwege begeben, die den Betriebsrat als bestechlich und beeinflussbar erscheinen lassen. Besonders schön fand ich jene zwei Fälle:

links: „Südsee-Bsirske“ zwischen den Stühlen

Anfang Juli 2008 war Frank Bsirske, Ver.di-Gewerkschaftschef und sozusagen Chef-Betriebsrat, gratis 1. Klasse mit der Lufthansa in den Urlaub geflogen. Da Bsirske auch Vize-Aufsichtsratschef des Konzerns ist, stehen ihm Freiflüge zu. Er habe die kostenlosen Tickets bislang ohnehin nur ein-, maximal zweimal pro Jahr in Anspruch genommen. „Eine Obergrenze, die ich mir selbst gesetzt und eisern eingehalten habe“, so Bsirske. Ver.di und den daheim gebliebenen Betriebsräten muss man zugute halten, dass sie dennoch nach gescheiterten Tarifverhandlungen die Lufthansa im selben Monat bestreikten – solange Bsirske 5 Wochen in der Südsee weilte. Danach war Bsirske in die Kritik geraten, weil er als Gewerkschaftsboss und gleichzeitiges Aufsichtsratsmitglied zwischen den Stühlen sitzt: Lufthansa-Aktionäre hatten ihm vorgeworfen, durch die Streiks dem Unternehmen Schäden in Millionenhöhe einzubrocken. Auf dem Rückflug gab sich der Ver.di-Chef reumütig: „Der Freiflug war ein Fehler! Ich habe daraus aber sofort meine Konsequenzen gezogen: Ich werde nie mehr einen Freiflug nehmen.“

rechts: „System Volkswagen“ – Lustreisen und Bordellbesuche für VW-Betriebsräte

Die VW-Korruptionsaffäre ist eine im Juli 2005 bekannt gewordene Bestechungsaffäre. Aus der Firmenleitung des Volkswagen-Konzerns heraus sind Mitglieder des Betriebsrates mit finanziellen Zuwendungen, Luxusreisen und Dienstleistungen von Edel-Prostituierten in Nachtclubs bestochen und in ihren Entscheidungen korrumpiert worden. Der inzwischen pensionierte Werksarzt hatte vor den Reisen der Betriebsräte immer Rezepte für Viagra ausgefüllt, damit VW-Personalmanager K.-J. Gebauer das Mittel in einer Wolfsburger Apotheke besorgen konnte.

Am 22. Februar 2008 verurteilte das Landgericht Braunschweig den ehemaligen VW-Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert wegen Anstiftung und Beihilfe zur Untreue und wegen Verstoßes gegen das Betriebsverfassungsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.

www.albrecht-haag.de


Alexandra Lechner, Betriebsratsverseucht

„Ich bin ein rotes Tuch – für meinen Chef!“
Ein „rotes Tuch“ symbolisiert eine Sache, die jemanden sehr ärgert oder provoziert oder jemanden der einen sehr wütend macht, im Sinne von „Der ist für mich wie ein rotes Tuch!“. Ist der Betriebsrat per se ein rotes Tuch für jeden Unternehmer und damit der Auslöser für diese sogenannte BR-Seuche? Bei der Suche nach Bildern zum Unwort 2009 stellte sich mir die Frage, ob es nicht auch gelungene Projekte und erfolgreiche Zusammenarbeit von Betriebsrat und Unternehmern gibt? Wo findet Dialog und Auseinandersetzung statt, deren Ergebnis für Arbeiter und Unternehmen zum Positiven führt?

links: „Als sicher größten Erfolg kann man werten, dass wir es als Betriebsräte eines Automobilzulieferers im letzten Jahr geschafft haben, ohne betriebsbedingte Kündigungen am Standort Maintal durchzukommen. Auch einen kleineren Standort in Maintal, der in den Osten Europas verlagert werden sollte, konnten wir erhalten; die Übernahme aller Azubis in den letzten Jahren wurde gewährleistet, etc.“

Klaus Ditzel, Betriebsratsvorsitzender, NORMA Germany GmbH, Maintal

rechts: „Ich würde als meinen schwersten Kampf die Verteidigung der errungenen Sozialleistungen bezeichnen. Größter Erfolg ist, dass wir ab diesem Jahr Langzeitkonten eingeführt haben, mit der Möglichkeit, dass die älteren Jahrgänge‚ subventioniert werden. Somit haben auch diese eine Chance, signifikant Zeit anzusparen, um früher aus dem Arbeitsleben zu treten.“

Crocifissa Attardo, Betriebsrat Darmstadt, Merck KGaA

www.alexandralechner.com


Jens Steingässer, Betriebsratsverseucht

Pressemeldung vom 25.02.2015:

»Die seit 2008 anhaltende Wirtschaftskrise lässt deutsche Unternehmen zu immer neuen Mitteln greifen. Das durchschnittliche HUMANKAPITAL* der Belegschaft soll mit Hilfe einer erhöhten ENTLASSUNGSPRODUKTIVITÄT** gesteigert werden, um möglichst viele Effizienz mindernde Arbeitnehmer zur FREIWILLIGEN AUSREISE*** aus ihren Arbeitsverhältnissen zu bewegen.
(Die HERDPRÄMIE**** hat hierbei einen positiven Einfluss, viele Arbeitsunwillige nehmen diese in Anspruch.) Da besonders die NOTLEIDENDEN BANKEN***** die wirtschaftliche Existenz einzelner Unternehmen derart gefährden, greifen erste Unternehmen zu neuartigen Mitteln. Die Belegschaft wird systematisch durchleuchtet, neben der Online-Observation kommen mittlerweile auch Nacktscanner am Arbeitsplatz zum Einsatz, so dass z.B. BETRIEBSRATVERSEUCHTE****** Angestellte zügig erkannt und aussortiert werden können. Auf diese Art und Weise versprechen sich die Unternehmen eine Reduzierung ihrer Arbeitnehmerschaft bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität. „Weniger Angestellte mit weniger Mitspracherecht gleich mehr Produktivität!” bringt es ein Unternehmer, der namentlich nicht genannt werden will, auf den Punkt.«

* Unwort des Jahres 2004

** Unwort des Jahres 2005

*** Unwort des Jahres 2006

**** Unwort des Jahres 2007

***** Unwort des Jahres 2008

****** Unwort des Jahres 2009

www.jens-steingaesser.de


Andreas Zierhut, Betriebsratsverseucht

Die betriebsratsverseuchte Ursuppe

Alles begann in Darmstadt. Im Weißen Schwan in Arheilgen. Hier wurde „betriebsratsverseucht“ im Jahr 2005 zum ersten Mal ausgesprochen, bevor es 2009 über einen Beitrag in einer Monitor-Sendung zu unwortverdächtiger Popularität gelangte. Die Bilder von Andreas Zierhut portraitieren zwei Betriebsräte aus dem Bauhaus-Markt Darmstadt, die der Geburt des Unwortes tatsächlich beiwohnten.
Die Fotos zeigen also echte, unverfälschte, betriebsratsverseuchte Ursuppe.

Astrid Schütz, Betriebsrätin Bauhaus Darmstadt
Andreas Heipp, Betriebsratsvorsitzender Bauhaus Darmstadt

www.andreaszierhut.de