2016 „Volksverräter”
Pressemitteilung der Jury: Wahl des 26. „Unworts des Jahres“
„Die Jury hat in diesem Jahr sehr lange diskutiert, ob das „Unwort des Jahres 2016“ wirklich aus dem plakativen und polemischen Sprachgebrauch stammen sollte, den Angehörige und AnhängerInnen von Pegida, AfD oder ähnliche Initiativen verwenden – und eine Einigung auf ein konkretes Wort fiel schwer.
Es ist uns auch bewusst, dass wir mit Volksverräter ein Wort gewählt haben, das sich dem bereits 2014 gewählten Wort Lügenpresse an die Seite stellen lässt. Doch die Einsendungen zeigen, dass sich der Großteil öffentlicher Sprachkritik gegen einen diffamierenden Sprachgebrauch im Themenfeld Migration richtet. Die Aktion „Unwort des Jahres“ versteht sich als eine sprachkritische Initiative, die in einer Zeit, in der der gesellschaftliche Konsens über die Grundprinzipien der Demokratie in Gefahr zu sein scheint, die Grenzen des öffentlich Sagbaren in unserer Gesellschaft anmahnen sollte.
Es geht dabei nicht um einen Versuch der Zensur oder Sprachlenkung, sondern darum, für mehr Achtsamkeit im öffentlichen Umgang miteinander zu plädieren.In diesem Jahr wurde daher auch kein anderes Unwort nominiert, um der mit der Wahl ausgedrückten Kritik an dem derzeit in sozialen Netzwerken, aber auch in der Politik zunehmenden Sprachgebrauch mit faschistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund mehr Gewicht zu verleihen. Volksverräter ist ein Unwort im Sinne unserer Kriterien, weil es ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten ist. Als Vorwurf gegenüber PolitikerInnen ist das Wort in einer Weise undifferenziert und diffamierend, dass ein solcher Sprachgebrauch das ernsthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft abwürgt. Der Wortbestandteil Volk, wie er auch in den im letzten Jahr in die öffentliche Diskussion gebrachten Wörtern völkisch oder Umvolkung gebraucht wird, steht dabei ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließt.
Damit ist der Ausdruck zudem antidemokratisch, weil er – um eine Einsendung zu zitieren – „die Gültigkeit der Grundrechte für alle Menschen im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik“ verneint.“
Stefan Daub, Volksverräter
„GröVaZ“
Für die NSDAP war Volksverrat das “unmittelbar gegen das deutsche Volk gerichtete Verbrechen eines Volksgenossen, der die politische Einheit, Freiheit und Macht des deutschen Volkes zu erschüttern trachtet”. Nach dieser Definition ist für mich Adolf Hitler der größte Volksverräter aller Zeiten. Was hat dieser Mann gesehen, als er seine Ansichten formulierte? Ich habe auf dem Obersalzberg den Blick gesucht, der sich Hitler darbot, als er den zweiten Teil von „Mein Kampf” diktierte.
„140 Zeichen”
Die Hetze und Diffamierungen, die durch PEGIDA und AfD auf die Straße gebracht werden, habe ich persönlich noch nicht erlebt. Ich erlebe sie jedoch online; beispielsweise auf Twitter. Diese Plattform begrenzt einen Beitrag auf 140 Zeichen. Ängste, Einstellungen, Ideen, Fragen und Antworten - auf 140 Zeichen.
Wenn Kommunikation über komplexe Themen zu Parolen eingedampft wird, gehen wichtige Zwischentöne verloren; auf der Straße, im Internet, im Bild. Zum Begreifen von Inhalten bedarf es mehr als 140 Zeichen – oder Pixel.
Beide Bilder zeigen dasselbe Motiv.
www.stefandaub.de
Jan Nouki Ehlers, Volksverräter
Nah dran, mit SW-Bearbeitung, Bildausschnitt
Nah dran:
das alte Credo des Journalismus, um die Wahrheit zu finden. Doch ist es immer gut, “nah dran“ zu sein? Die Medien gieren nach Sensationen und verdichten die Atmosphäre rund um die AfD-Pegida-Szene massiv. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine der benannten Organisationen in der Presse irgendwo Gehör findet. Es wird immer wieder der Eindruck erweckt, dass unglaublich viele Menschen sehr wütend auf der Straße unterwegs sind und Dinge wie „Volksverräter“ skandieren.
Dass es zum Unwort gelangt hat, ist dem Kuriosum zu verdanken, dass es sich um eine Minderheit handelt. Eine sehr kleine Minderheit. Und dennoch geht unsere Presse gerne ganz nah dran, um dabei zu sein. Dabei zu sein, wenn sich irgendeine hohle Frucht mit vorgehaltenem Mikrofon zu immer derberen Aussagen hinreißen lässt, damit wir zuhause wissen, hui, im wilden Osten, da ist was los. Dass diese Organisationen ganz nach dem Prinzip von Trumps Wahlkampfstrategen fahren, immer in der Presse sein, immer Präsenz zeigen, fällt zwar auf, bringt aber keine Konsequenzen im Verhalten der Presse mit sich. Wie wirkt denn das kleine Häufchen, das wütend im Großformat zur besten Sendezeit durch die Medienlandschaft flattert, ohne Kameras und Mikrofone?
Weiter weg:
50 mm Objektiv, das dem menschlichen Auge am ehesten entspricht. Keine Bildbearbeitung, kein Bildausschnitt.
www.janehlers.net
Julia Essl, Volksverräter
Marie, 14 Monate alt
Würden Sie Marie als Volksverräterin bezeichnen? Wird Marie zur Volksverräterin, weil sie mit Sodangi spielt und sich mit ihm sehen lässt? Oder sehen Sie zwei Kinder, die sich die Hand reichen möchten? Wieso macht Sodangi einen skeptischen Eindruck? Geben Sie ihm das Gefühl, falsch zu sein? Marie scheint keinerlei Bedenken zu haben, oder?
Für mich verhält sich Marie instinktiv sozial. Volksverrat kennt sie nicht.
Wie kann es passieren, dass in unserem Sozialstaat nach über 70 Jahren solche Fragen überhaupt gestellt werden müssen? Nach „Lügenpresse“ und „Gutmensch“ ist mit „Volksverräter“ nun bereits zum 3. Mal in Folge die Pegida zu Recht mit dem Unwort „gekürt“ worden, denn deren Reden und Tun darf nicht verharmlost werden.
Im 3. Reich konnte jeder als Volksverräter verurteilt werden, der sich gegen die rassistische (und antisemitische) „Volksgemeinschaft“ auflehnte. Diese Zeit ist zum Glück vorbei. Pegida- und AfD-Anhänger schreien Worte mit beängstigender Überzeugung, die nichts mehr mit Meinungsfreiheit, Demokratie und unserem Sozialstaat gemein haben.
Die Demokratie wird Initiativen wie Pegida und AfD überstehen, aber tun das auch die Köpfe unserer Kinder?
Sodangi, 15 Monate alt
Kinder sind in ihren jungen Jahren sehr leicht formbar, lassen sich schnell überzeugen oder manipulieren. Wir Erwachsene müssen gut auf sie aufpassen. Dazu gehört auch, dass wir der Pegida-Bewegung mit ihren nationalsozialistischen Parolen nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Das tun Marie und Sodangi auch nicht. Sie sind unvoreingenommen und sollten somit als Vorbilder für eine multikulturelle Demokratie angesehen werden.
Ich möchte mich ganz herzlich bei den Eltern von Sodangi für ihr Vertrauen bedanken. Die Bereitschaft, ihren Sohn in der Öffentlichkeit zu zeigen, ist für mich nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass die Familie seit der Pegida-Bewegung wieder vermehrt mit Rassismus in Berührung kommt! Besonders der Vater, der gebürtiger Ghanaer ist, aber schon seit über 20 Jahren in Deutschland lebt, integriert ist, sich sogar sozial engagiert, muss Beleidigungen auf öffentlicher Straße über sich ergehen lassen. Obwohl er sich höflich und freundlich verhält, wie es seinem Naturell eben entspricht. Die Verantwortung für Marie übernehme ich selbst, sie ist meine Tochter.
www.juliaessl.de
Albrecht Haag, Volksverräter
Volksverräter
Auf den Spuren des Begriffs in Dresden: Die temporäre und überragende Skulptur »Monument« des Künstlers Manaf Halbouni vor der Frauenkirche sorgt für jede Menge Reaktionen – und Reaktionäres. Bei der Eröffnung werden die Redner ausgebuht und ausgepfiffen. Der Oberbürgermeister wird als Volksverräter beschimpft und steht nun auch wegen Morddrohungen unter Polizeischutz.
Eine Woche später, am Tag des Gedenkens der Dresdner Brandnacht von 1945: Viele Unterstützer und Bewunderer der Installation sind da. Aber auch viele Menschen, die immer wieder Diskussionen oder eher Streitmonologe anzetteln. Die AfD liefert dazu Zettel mit alternativen Fakten. Plakatenthüller werden an diesem Tag auf dem Platz nicht geduldet und zur Seite geführt. Der Künstler ist vor Ort. Er gibt Interviews und steht den Leuten Rede und Antwort. Er muss sich fragen lassen, welche Staatsbürgerschaft er denn nun möchte, ob er mit der Kunst etwa Geld verdiene, ob er überhaupt arbeite, ob seine Großmutter auch vom Bombardement betroffen war.
Die Verschwörer unter den Diskutanten deuten diese Installation als Provokation der zum Gedenken gekommenen Dresdner. Der Künstler sei nur eine Marionette der Politik- Elite und in Wahrheit verherrlicht er mit Schrott islamistischen Terror. Dieser Krieg in Syrien und dessen Tote hätten mit Dresden nichts gemein.
Volksfahrräder
Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man es auch für ein großes Missverständnis halten: Die im Stich gelassenen Bürger wollten Volks-Fahrräder. Man möge das kurz mit sächsischem Akzent vor sich hinsagen...
Bekommen haben sie dann drei Schrottbusse. Da kann man schon mal unsachlich und laut werden.
Die Dresdner Hochschule für Bildende Künste hat diesen Missstand erkannt und ihre Fahrradständer (gleich hinter der Frauenkirche) entsprechend umgewidmet.
Echten Trost gibt es nur begrenzt: Die Dresdner Kopfsteine (Steinköpfe ?) sind nach wie vor grobes Pflaster für fahrradelnde Idealisten.
Etwas weiter am Zaun hängt der Appell der Hochschule: »BÜRGER! Lasst nicht zu, dass das geistige und intellektuelle Klima in unserem Land weiterhin durch rechtsnationale Ideologie vergiftet wird.«
www.albrecht-haag.de
Jens Mangelsen, Volksverräter
Ab 1933 plante das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels bis zu 400 Versammlungsorte zu errichten, sogenannte Thingstätten. An diesen Orten, später nur noch Feierstätte genannt, sollte die Bühne der Demonstration der eigenen Überlegenheit dienen. Die Thingspiele zeigten wie „das Volk“ politisch handelt und welche Meinung erwünscht war. Bis 1935 wurden 60 Thingstätten fertiggestellt. Bei der Eröffnung der Thingstätte auf dem Heiligenberg sagte der ehemalige Heidelberger Germanistikstudent Joseph Goebbels:
„In diesem monumentalen Bau haben wir unserem Stil und unserer Lebensauffassung einen lebendigen plastischen und monumentalen Ausdruck gegeben. Diese Stätten sind in Wirklichkeit die Landtage unserer Zeit.“
Die Thingstätten verloren in den Folgejahren allerdings erheblich an Bedeutung: Der technische Fortschritt brachte mit dem Volksempfänger die Propaganda nun direkt in die Haushalte. Auch hier war es unter Androhung von Strafe verboten, den falschen Sender zu hören. Eine zweite Meinung war unerwünscht. Die heutigen Feierstätten der eigenen Überlegenheit haben sich längst in das Internet verlagert, folgen aber noch immer demselben Muster. Oft geht es in erster Linie darum, sich gegenseitig auf eine gemeinsame Weltanschauung einzuschwören und hierbei keine weitere Meinung zuzulassen.
Dabei versteckt sich der moderne Volksverräter gerne in der vermeintlichen Anonymität des Internets. So entstehen ganz persönliche Echo-Blasen, in denen nur gesagt und gehört wird, was zur eigenen Meinung passt.
Auf dem Bild sieht man Goebbels wie nur er sich im Spiegel kannte und ausschließlich auf sich selbst fokussiert. So verschwimmt die Welt um ihn herum in absoluter Unschärfe.
www.jeyoh.photography
Manfred Nerlich, Volksverräter
Daniel Röder, Rechtsanwalt und Initiator #PulseOfEurope
„Demokratie lebt vom Mitmachen“ Es geht heute wieder um eine der ältesten Fragen der Menschheit: die nach der Herrschaft. Im 20. Jahrhundert schien diese Frage nur knapp und mit sehr vielen Opfern zugunsten einer freiheitlich demokratischen Ordnung in den westlichen Gesellschaften entschieden worden zu sein.
Wachsende Politikverdrossenheit und der Rückzug ins Private bewirken jedoch zunehmend, dass Demokratien aus dem Gleichgewicht geraten, weil das Engagement antidemokratischer Kräfte und damit ihr Einfluss im Vergleich zunehmen (siehe u.a. Ungarn, Polen, Türkei, Frankreich, Niederlande, Österreich, USA, Deutschland). Eine Schwachstelle des demokratischen Modells ist die ihm innewohnende Möglichkeit zur Selbstzerstörung durch die Gleichgültigkeit der Gesellschaft. Wenn Bürger nicht wählen gehen oder aus Protest gegen etablierte Parteien antidemokratischen Kräften an die Macht verhelfen, nehmen sie billigend in Kauf, dass die Gegner der offenen Gesellschaft Demokratie und Freiheit wieder abschaffen.
#PulseOfEurope-Demo, Goetheplatz, Frankfurt/Main, 12. Februar 2017
„Niemand, der das einmal verstanden hat, kann doch weiterhin einfach nur zusehen was geschieht,“ sagt Daniel Röder, Rechtsanwalt in Frankfurt und gründete mit einigen Gleichgesinnten die proeuropäische Bewegung #PulseOfEurope. Inzwischen bringt sie jeden Sonntag in Frankfurt und vielen anderen Städten zehntausende proeuropäische Demonstranten auf die Straße. „Demokratie und Grundrechte sind schon früher in der Geschichte an nationalen Egoismen gescheitert. Wir müssen das verhindern. Die Einheit der Europäischen Union ist ein Garant für den Frieden.“
Mit der rasanten Radikalisierung des politischen Lebens und dem Erstarken autokratischer Kräfte in demokratischen Gesellschaften kehren schleichend auch die Sprache und die Methoden der Nazis zurück. Für sein Engagement für Frieden und Freiheit wurde er auf die von Rechtsradikalen geführte Liste „judas.watch (Documenting anti-Western traitors, agitators and subversives)“ gesetzt, die „Volksverräter“ aller Länder führt. Hier offenbaren sich die pervertierte Verwendung von Sprache und die Absichten von Rechtspopulisten und -radikalen mehr als deutlich.
Sebastian Reimold, Volksverräter
„Volksverräter” - Eine Parabel
Das Wort „Volksverräter”, mit dem gewählte Politiker unseres Staates beschimpft werden, ist weit mehr als nur ein Wortspiel zu „Volksvertreter”. Dieser Begriff betrifft jeden von uns, der sich der Demokratie und Verfassung verbunden fühlt. Denn jene Minderheit, die bei Demonstrationen „Volksverräter” ruft, trägt bewusst oder unbewusst selbst zur Zersetzung unseres Staates und Rechtssystems bei.
„Volksverräter” ist ein rhetorisch toxischer Begriff von historischer Dimension. Damit dies nicht in Vergessenheit gerät, sollten entsprechende Erfahrungen der Geschichte an die Jugend weitergegeben werden. Eine Jugend, die heute Gefahr läuft, in den Echo-Blasen des Internets mit falschen Fakten manipuliert zu werden. Gegen Volksverdummung braucht es nicht unbedingt eine Schwarm-Intelligenz, jeder Einzelne kann schon sehr viel Positives bewirken.
Mein Porträt-Modell (Mirko Drotschmann) wendet sich mit seinem YouTube-Kanal Mr. Wissen To Go an eine zunehmend politisch desinteressierte Jugend. Mit gründlich recherchierten Beiträgen macht er historische Zusammenhänge in einem adäquaten Format verständlich. Er studierte Geschichte und Kulturwissenschaft, leitet Workshops im Auftrag von Bildungseinrichtungen (z.B. im Rahmen des Hessischen Demokratietags) und ist als Journalist und Moderator für ZDF Logo und das Geschichtsmagazin MDR Zeitreise tätig. Mit seinen Beiträgen zur aktuellen Tagespolitik und den Verknüpfungen zur Geschichte leistet er einen wertvollen gesellschaftlichen und demokratischen Beitrag. Zudem repräsentiert er als 31-Jähriger eine noch junge, engagierte Altersgruppe, die - entgegen dem Trend - den „Spirit” einer offenen Demokratie weitertragen möchte.
Wenn Worte zu Waffen werden
Wenn radikale Kräfte auf Dauer die Oberhand gewinnen, droht der Demokratie der Untergang – diese negative Wiederholung der Geschichte gilt es zu vermeiden.
Rückblende: Wien, 1939. Im Frühjahr 1939 lebten in Wien noch über 90.000 Juden. Nach dem erzwungenen Anschluss 1938 und der „Reichskristallnacht” wurde Wien zum Experimentierfeld anti-jüdischer NS-Vertreibungspolitik. Adolf Eichmann (SS/SD) organisierte eine brutale Vertreibung, die durch restriktive Gesetze, Verordnungen und Erlässe eingeleitet wurde. Nach dem Kriegsbeginn 1939 befahl Reinhard Heydrich die Verhaftung und Deportation tausender Juden. Das Wiener Prater-Stadion wurde zu einem Massen-Sammellager mit mehr als 1.000 verhafteten Juden umfunktioniert, weil die Gefängnisse überfüllt waren. Um vermeintlich typische anthropologische Merkmale der „Staatsfeinde” heraus zu finden, griffen nationalsozialistische „Wissenschaftler” dort 440 Juden heraus, um sie zu vermessen, zu fotografieren und teilweise Gesichtsmasken abzunehmen, bevor sie ins KZ Buchenwald deportiert wurden. Dies war der Beginn des Völkermordes an circa 6 Millionen Juden.
Im Jahr 1999 wurde dazu in Weimar die beklemmende Ausstellung mit dem Titel: „Vom Antlitz zur Maske” gezeigt, die mich zu diesem fotografischen Konzept inspiriert hat.
www.sebastian-reimold.de
Jens Steingässer, Volksverräter
„So schön hat uns noch keiner genannt!“
Mich hat der „aggressive“ Beigeschmack des (Un)Wortes „Volksverräter“ sehr fasziniert, sowohl inhaltlich, aber auch besonders vom Lautmalerischen her. „Volksverräter“ klingt beim Sprechen schon richtig „niedermetzelnd“.
Ich habe versucht, mich in Menschen hineinzuversetzen, die dieses Wort heute benutzen, um andere zu denunzieren. Wen würde ich so nennen, wenn ich politisch derart gesinnt wäre, dass ich nicht davor zurückschrecke, Nazi-Wortgut zu benutzen.
Klar, Sigmar Gabriel oder Angela Merkel - die haben das Wort ja wohl schon des Öfteren entgegengeschmettert bekommen …
… ich habe aber jemanden gefunden, der meiner Meinung nach viel besser passt:
Ein deutsches Paar aus Hamburg, das quasi als „Schlepper“ einfach mal so einen jungen Afghanen nach Deutschland schmuggelt. Vollkommen illegal, einfach aus Mitgefühl, weil sie ihn von Afghanistan-Aufenthalten kannten.
Reinster Egoismus, auf Kosten des deutschen Volkes - absolute Volksverräter! Ihre Reaktion, als ich sie als „Volksverräter“ ansprach: “So schön hat uns ja noch keiner genannt!”
www.jens-steingaesser.de
Rahel Welsen, Volksverräter
„Liebes Volk!“
Wer sind eigentlich DIE, die meinen, im Namen des Volkes zu sprechen, wenn sie anders denkende Menschen als Volksverräter bezeichnen? Tatsächlich nur ein kleiner, aber lärmender Haufen, der sich in meinen Augen nicht verhält, wie es erwachsenen Menschen angemessen wäre. Sachliche Diskussionen zu führen ist nicht möglich. Die sogenannten Wutbürger sind wütend, vor allem auf das, was ihnen fremd ist. Was eine Bedrohung für ihr beschauliches Leben darstellen könnte. Sie agieren und reagieren darauf wie kleine Kinder. Sie lügen, verdrehen Tatsachen, und wenn nichts mehr hilft, werfen sie sich gern auch der - überwunden geglaubten - Nazi-Rhetorik in die vermeintlich beschützenden Arme.
„Wir führen einen gerechten Kampf. Einen Kampf, der mit der Bundestagswahl nicht endet und der langfristig darüber entscheiden wird, ob wir und unsere Kinder noch eine Zukunft in der Mitte Europas haben oder ob unser Wohlstand, unser Staat, unsere Kultur und unser liebes Volk im Chaos versinken.“
(Auszug aus Björn Höckes Rede in Dresden am 17. Januar 2017)
www.rahel-welsen.de
Andreas Zierhut, Volksverräter
Auch zwei besorgte Bürger
Adolf Hitler, Reichskanzler Verantwortlich für 50 Millionen Kriegstote in Europa. Mörder von 160.000 deutschen Juden.
Joseph Goebbels, Propaganda-Minister Schuld am Tod von mindestens fünfeinhalb Millionen Deutschen. Mörder der eigenen Familie.
Zu den Bildern: Die beiden Portraits sind ausschließlich in ihren veränderlichen Merkmalen verändert: Frisuren, Bart, Brille, Schmuck, Kleidung. In unveränderlichen Merkmalen sind die Bilder unverändert.
Links: Joseph Goebbels, rechts: Adolf Hitler