Pressemitteilung der Jury: Unwort des Jahres 2024
biodeutsch
Der Ausdruck biodeutsch wurde im Jahr 2024 im öffentlichen und gesellschaftlichen Sprachgebrauch und insbesondere
in den Sozialen Medien verstärkt verwendet, um Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer
Abstammungskriterien einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren. Biodeutsch setzt sich aus dem
Wortbildungselement bio und dem Eigenschaftswort deutsch zusammen, wobei bio eine Abkürzung für biologisch
darstellt. Mit dem Wort biodeutsch wird eine rassistische, biologistische Form von Nationalität konstruiert.
Ursprünglich ironisch als satirischer Ausdruck verwendet, der mit dem Bio-Siegel als Güte-Siegel für ökologischen
Anbau spielte, ist für biodeutsch seit mehreren Jahren eine sehr gedankenlose und unreflektierte, nicht-satirische,
also wörtlich gemeinte Verwendung festzustellen. Dabei wird ‚Deutschsein‘ naturbezogen begründet, um eine
Abgrenzung und Abwertung von Deutschen mit Migrationsbiographie vorzunehmen. Biodeutsch steht zusammen
mit den zugehörigen Substantiven Biodeutsche, Biodeutscher in einer Reihe mit weiteren Wörtern wie Passdeutsche
oder echte Deutsche, die dazu dienen, Menschengruppen, die vor dem Gesetz gleich sind, ungleiche Eigenschaften
zuzuschreiben und sie somit hierarchisch zu klassifizieren. Diese mit dem Gebrauch von biodeutsch einhergehende
Unterteilung in angeblich ‚echte‘ Deutsche und in Deutsche zweiter Klasse ist eine Form von Alltagsrassismus.
Die Jury kritisiert nicht den ironisch-satirischen, sondern den diskriminierenden Wortgebrauch, weil er gegen die
Idee von demokratischer Gleichheit und Inklusion verstößt und eine Privilegierung der imaginären Gemeinschaft
der ‚Biodeutschen’ gegenüber Gruppen darstellt, die aus dem rassistischen Konstrukt der vermeintlichen
‚Biodeutschen‘ ausgeschlossen werden. Durch die nicht-ironische Verwendung des Wortes wird ein biologischer
Zusammenhang von Nationalität und ‚Deutschsein‘ imaginiert, den es nicht gibt.